Großer schwarzer Vogel

Ludwig Hirsch ist tot. Und selbst im Tod noch konsequent: „unterhalb eines Fensters“ des Wiener Krankenhauses aufgefunden, in dem er wegen Lungenkrebs lag (oder Lungenemphysem, wie auch immer: lungenkrank). Natürlich wirkt dann das Lied vom „Großen schwarzen Vogel“ von 1979 ganz anders:

Komm großer schwarzer Vogel

Komm großer schwarzer Vogel, komm jetzt!
Schau, das Fenster ist weit offen,
Schau, ich hab‘ Dir Zucker aufs Fensterbrett g’straht.

Komm großer schwarzer Vogel, komm zu mir!
Spann‘ Deine weiten, sanften Flügel aus
und leg’s auf meine Fieberaugen!
Bitte, hol‘ mich weg von da!

Und dann fliegen wir rauf, mitten in Himmel rein,
in a neue Zeit, in a neue Welt.
Und ich werd‘ singen, ich werd‘ lachen,
ich werd‘ „das gibt’s net“, schrei’n,
weil ich werd‘ auf einmal kapieren
worum sich alles dreht.

Komm großer schwarzer Vogel, hilf mir doch!
Press‘ Deinen feuchten, kalten Schnabel auf
meine Wunde, auf meine heiße Stirn!

Komm großer schwarzer Vogel,
jetzt wär’s grad günstig!
Die anderen da im Zimmer schlafen fest
und wenn wir ganz leise sind,
hört uns die Schwester nicht?
Bitte, hol mich weg von da!

Und dann fliegen wir rauf, mitten in Himmel rein,
in a neue Zeit, in a neue Welt.
Und ich werd‘ singen, ich werd‘ lachen,
ich werd‘ „das gibt’s net“, schrei’n,
weil ich werd‘ auf einmal kapieren
worum sich alles dreht.

Ja, großer schwarzer Vogel, endlich!
Ich hab‘ Dich gar nicht reinkommen g’hört,
wie lautlos Du fliegst mein Gott,
wie schön Du bist!

Auf geht’s, großer schwarzer Vogel, auf geht’s!
Baba, ihr meine Lieben daham!
Du, mein Mädel, und du, Mama, baba!
Bitte, vergesst’s mich nicht!

Auf geht’s, mitten in den Himmel eine,
nicht traurig sein, na, na, na ist kein Grund zum Traurigsein!
Ich werd‘ singen, ich werd‘ lachen, ich werd‘ „das gibt’s net“ schrei’n.
Ich werd‘ endlich kapieren, ich werd‘ glücklich sein!
Ich werd‘ singen, ich werd‘ lachen, ich werd‘ „des gibt’s net“ schrei’n.
Ich werd‘ endlich kapieren, ich werd‘ glücklich sein!
Ich werd‘ singen, ich werd‘ lachen, ich werd‘ endlich glücklich sein!

Ludwig Hirsch hat mich geprägt, vor allem seine „Dunkelgrauen Lieder“. Sie sind der beste Pubertätsbegleiter, den man sich wünschen kann. Aber auch das „Liederbuch“ und das Konzeptalbum „Bis zum Himmel hoch“ kann ich auswendig und in seelischen Notfällen fallen mir die Zeilen wieder ein. Das schöne an diesen Liedern ist, dass selbst die deprimierendsten (wie „Abel 82“, in dem wir jemandem zuhören, der totgeschlagen wird oder „I lieg am Ruck’n“, das aus der Lebende-Leiche-Perspektive erzählt wird) immer entweder ironisch enden, oder hoffnungslos romantisch, oder bitterböse, so dass man nicht anders kann als sich besser zu fühlen. Ludwig Hirsch hat mich maßgeblich beeinflusst: mein Verständnis von Liebe; meine Perspektive auf „das Leben an sich“; das, was ich von deutschen Lied-Texten erwarte, und überhaupt von deutschen Texten.

In deiner Sprache

In Deiner Sprache, wie sagt man da „Leben“?
Sagt man da auch, „Er da oben hat’s gegeben“?
Der Jammer is nur, er nimmt’s wieder furt.
Das Schlitzohr, das alte, borgt es uns nur.
Das Leben is a Hund, es beißt und hat Flöh,
hat ganz kurze Dackelfüß‘ und rennt viel zu schnell.
Das schöne Wort „Leben“, schön wie ein Stern —
in Deiner Sprache möcht ich’s gern hör’n;
Du mein riesiger Freund, da drinnen im Meer.

Und in Deiner Sprache, wie sagt man da „Tod“?
Reimt sich’s da auch auf, „vom Aussterben bedroht“?
Und doch schön zu spüren, dass niemals was stirbt,
und das Wort „Tod“ nie das letzte sein wird.
Der Tod is ein Seitensprung, mehr a scho ned.
Du schlafst ein und wachst auf, nur in an anderen Bett.
Das schöne Wort „Tod“, schön wie ein Stern —
in Deiner Sprache möcht ich’s gern hör’n;
Du mein riesiger Freund, da drinnen im Meer.

HÖRT MEHR LUDWIG HIRSCH! Gerade jetzt.

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