Kennt ja jeder, die 80/20-Regel. Aber kaum einer hält sich dran bzw. handelt danach. Das Streben nach 100% oder gar den berühmten 110%, 150% oder gar 200% Leistung scheint mir schon länger ein problematisches Konzept und vor allem unvereinbar mit dem Streben nach Glück.
Glück ist nicht 100%. Wer auch beim Glück-Suchen nach 100% strebt, hat ziemlich geringe Chancen, es zu finden. Das Streben nach Glück heisst aber für mich auch, etwas tatsächlich zu bekommen. Das zu schätzen, was man hat, daraus das maximale Glück zu ziehen – seien es 60%, 70% oder 95%. Wer will das auch berechnen? Heisst 150% Leistung 60h-Woche? Oder 15 statt 10 PowerPointFolien? Muss alles perfekt sein – oder reicht eine perfekte Minute, pro Tag, pro Jahr, im Leben? Oder lieber viele fast perfekt glückliche Stunden?
Das ist ein bisschen wie beim Vegetarismus/Veganismus. Das Ziel ist erst in zweiter Linie, keinem Tier mehr unnötigen Schaden zuzufügen. Ziel in erster Linie ist, weniger Schaden zu verursachen. So gut man eben kann. Ein in vielerlei Hinsicht eudämonischer Ansatz, wie mir scheint.
Streben wir nach dem unter den gegebenen unabänderlichen Umständen größtmöglichen Glück. Und genießen es zu 100%.
Kleine Ergänzung:
Nicht nur ich werde es ja regelmäßig von meinen Eltern hören: ihr habt es besser, als wir damals. Und lange habe ich mich gefragt, worin denn dieses „besser“ eigentlich besteht. Wahrscheinlich ist es das: sich über sowas Gedanken machen zu können und immerhin in Betracht ziehen zu können, dass 80% irgendwie genug sind. Für einen selber, für die Lieben, für die Gesellschaft vielleicht sogar auch. Meine Eltern haben beide seit ihrem 16. Lebensjahr jeden Tag voll gearbeitet, erst in der Lehre, dann im Job, meine Mutter bis auf 4 Jahre „Studium“ und noch mal 6 Monate um meine Geburt herum, und das alles nicht, weil sie es unbedingt gerne so gewollt hätten. Es ging halt nicht anders. Ich hingegen habe mit 30 meine erste volle Stelle angetreten und das auch gleich nur für ein halbes Jahr und hatte trotzdem immer genug Geld zum Essen und Wohnen. DAS ist dieses besser. Das ist sogar schon gut.