Kindergarten in der DDR

Es gibt da so ne kleine „Blogparade“ zum Thema DDR-Kindergarten und normalerweise lässt mich so was ja kalt, aber nach dem Lesen der ersten Berichte möchte ich da doch gern noch was hinzufügen.

Kinderkrippe

Ich bin mit 6 Monaten in die Kinderkrippe gekommen. Vermutlich Vollzeit (also 9 Stunden), meine Mutter weiß das aber nicht mehr so genau. Dort habe ich mein erstes Wort gesprochen (der Spitzname meines Bettnachbarn), laufen und essen gelernt und wurde auch trocken. Erinnerungen hab ich gar keine mehr an diese Zeit, außer, dass ich einmal sehr aufgeregt war, weil meine beiden Eltern dort zu Besuch waren (und Fotos gemacht haben – vermutlich erinnere ich mich eh nur wegen der Fotos).

Tischdienst in der Krippe
„Tante Lässie“, wie alle damals im Kittel.

Kindergarten

Mit 3 Jahren kam ich dann in den Kindergarten, auch in dieser Zeit haben meine Eltern beide voll gearbeitet (7.00-15.30). Das bedeutete für mich, dass ich von 06.30 bis 16.00 Uhr im Kindergarten war. Meine Mutter hat versucht, mich in einem katholischen Kindergarten unterzubringen, aber das gelang nicht. Die galten als „freier“ und freundlicher.
Unserer Kindergärtnerinnen (so hieß das damals) sind mir, bis auf eine, die als besonders streng galt, in keiner unangenehmen Erinnerung. Vor der einen hatte ich Angst, aber die war nur manchmal in unserer Gruppe (die Gruppen hießen übrigens kleine Gruppe, Mittelgruppe und große Gruppe und dann jeweils 1 und 2 – nix mit Hasen, Tigern, Maulwürfen – ich höre heute noch den Ruf „Mittelgruppe 1 und 2“, dann musste man antreten, wenn man dazu gehörte). Trotzdem weiß ich, dass ich zumindest einmal zum essen gezwungen wurde. Es gab Rosenkohl (welcher Sadist kocht im Kindergarten Rosenkohl?!) und da ich schon wusste, dass diese Kullern eklig schmecken, wenn man draufbeißt, habe ich versucht, eine ganz runterzuschlucken, was in heftigem Würgen und Atemnot geendet hat. Ob ich trotzdem aufessen musste, weiß ich nicht mehr. Vermutlich aber nicht.
Ich hatte wenige Probleme im Kindergarten, zumindest nicht mit den Erzieherinnen. Ich war durch das zeitige Aufstehen immer mittags müde, still-liegen war für mich daher kein Problem. Ich weiß noch, dass es viele strenge Regeln gab, aber umso toller war, wenn mal eine Ausnahme gemacht wurde. So hatte mein Vater mal angeboten, einen der kaputten Roller des Kindergartens zu reparieren und dann durfte ich MIT DEM ROLLER nach Hause und am nächsten Tag wieder zum Kindergarten fahren! Das war der absolute Oberhammer.

Straßenfest vom Kindergarten

Meine Mutter erzählt aber aus dem Kindergarten noch andere Geschichten: zum Beispiel dass jedes Jahr die Gruppenleitung wechselte und mir das schon zu schaffen machte. Und einmal sollte das West-Fernsehen zu Besuch in den Kindergarten kommen! Da haben die Eltern vorher drei Tage lang das ganze Gebäude bis in den letzten Winkel mit der Zahnbürste geschrubbt und dann haben sie genau zwei Außenaufnahmen gemacht. Worum es da ging, weiß ich aber nicht mehr. Es lässt mich aber annehmen, dass ich in einem der besseren Kindergärten war. Gewidmet war er jedenfalls den Geschwistern Scholl, deren Portraits im Treppenhaus hingen.
Insgesamt glaube ich, dass ich es überwiegend mit wohlwollenden Erwachsenen zu tun hatte, die schlicht weit verbreiteten Erziehungsidealen nachgingen.

Weihnachtsfeier ’84

Und danach

Erst in meiner Grundschulzeit hat meine Mutter halbtags gearbeitet, weil sie selbst so schreckliche Erinnerungen an den Schul-Hort hatte, dass sie mir das um jeden Preis ersparen wollte. Ein Preis war, dass wir ab da als „etwas verdächtig“ galten, denn uns wurde unterstellt, das ich vor allem der Pionier-Organisation vorenthalten werden sollte.  Dann kam aber schon bald die Wende, dann war das eh egal.

Und zum Schluss

Ich möchte noch sagen, dass ich es schwierig finde, alles, was an schrecklichem in DDR-Kindergärten passiert ist und jetzt immer mehr zu Tage tritt, der DDR zuzuschreiben. Essenszwang habe ich auch schon von vielen West-Kindergärten gehört, ebenso den Mittagsschlafzwang. Natürlich waren im Westen insgesamt weniger Kinder betroffen, weil viele entweder gar nicht, nicht so früh, oder nicht so einen langen Zeitraum im Kindergarten waren. Aber fiese Mist-Kriepel gibt und gab es überall. Das System DDR hat sicher viele dieser Mist-Kriepel noch bestärkt und auch geschützt. Vieles, was Kinder in der Zeit ertragen mussten, ist aber auch ein noch älteres Erbe.

Meine Tochter hat jetzt im Kindergarten die Wahl zwischen „Schlafraum“ mit Bett und „Ruheraum“, in dem man sich aber auch hinlegen  muss und nur wer es schafft, beim Hörspiel dann nicht wegzudämmern, darf wach bleiben… Der Sohn ist bei den weltbesten Tageseltern, die man sich wünschen kann.

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