Bei der dritten These wird es etwas soziolinguistisch. Die Grundidee ist, dass mittels des face-Konzepts vom guten Goffman analysiert werden kann, ob und eventuell auch wie bzw. wie stark die Rahmenbedingungen experimenteller Gespräche (im Gegensatz zu natürlichen Gesprächen) in die Gespräche selbst hineinwirken.
Diese Rahmenbedingungen sind z.B. die unnatürliche Situation, es ist alles ein bisschen „gespielt“, und vor allem gibt es einen Teilnehmer der Interaktion, den Forscher, der ununterbrochen face-bedrohendes Verhalten zeigt, nämlich „Anstarren“ vermittels einer Kamera (auch Tonaufnahmen können meiner Meinung nach diesen Effekt haben, quasi „Lauschen“). Die Teilnehmer an solchen Gesprächen müssen nun zusehen, dass sie einerseits ihr face in der Interaktion miteinander wahren, sie sind aber auch, zumindest unterschwellig, auf den Untersucher orientiert und präsentieren sich ihm Gegenüber. Da man das im luftleeren Raum schlecht diskutieren kann, gucken wir ein Video und schauen uns Transkripte an, die ich allerdings nicht hier wiedergeben werde.
Ich hoffe, meine Mitdiskutanten überzeugen zu können, dass das eine gute Idee ist – aber wenn nicht, ist es in diesem speziellen Fall auch nicht so schlimm. Es geht ja weniger ums rechthaben als mehr ums diskutieren… Sich genau anzugucken, was an einem Gespräch Artefakt der Aufnahme und was Gespräch ist, ist jedoch für die „Gesprächsforschung“ von entscheidender Bedeutung.
Denkt mehr nach beim Sprechen! 😉
Ui, höchstinteressanter Diskussionspunkt. Vielleicht ein kleiner Erfahrungsbericht von mir dazu:
In meiner Abschlussarbeit habe ich eine Kommunikationsanalyse fernsehbegleitenden Sprechens durchgeführt. Ich habe dabei Probanden vor den Fernseher gesetzt und dabei audiovisuell aufgezeichnet, wie sie ähh sprechen. Natürlich wussten sie von der Aufnahmesituation und dass ihre Sprechakte wissenschaftlich untersucht werden würden. Insgesamt hat die Aufnahme zwei Stunden gedauert. Zu keinem Zeitpunkt haben sich die Beteiligten meiner Einschätzung nach auf die Situation wirklich eingelassen, im Sinne, dass Setting und Rahmenbedingungen die Kommunikation nicht beeinflusst hätten. Das gipfelte in metareferentiellen Aussagen, die für die Arbeit unbrauchbar waren.
Diese Tatsachen habe ich dann bei der Analyse allerdings nicht thematisiert – es gab keinen Raum für sie. Auch in der Literatur zu fernsehbegleitendem Sprechen, die naturgegeben auf Transkripten beruht, wird die Validität des Materials durch diese Einflussfaktoren nicht berücksichtigt.
Vielleicht kannst Du später kurz schildern, wie die Diskussion dazu verlaufen ist.
Ah! Der sprechende Zuschauer. Ein Klassiker 🙂