Einen solchen Film über ein Entführungsdrama kann man – insbesondere da der Regisseur und Autor aus dem Land der Entführer stammt – durchaus als mutig bezeichnen. Über zwei Stunden sehen wir wenig anderes als kunstvolle Aufnahmen der Natur im Dschungel, wilde kleine Tiere (Spinnen, Fledermäuse, Schlangen) und Isabelle Huppert, wie sie durch all das hindurch stapft, wenn bei dieser zierlichen Person diese Vokabel überhaupt angebracht ist. Zwischendurch, in unregelmäßigen Abständen wird geschossen. Selten wird man als Zuschauer vorgewarnt, meist erwischen einen die Angriffe der Miliz („Befreiungsaktionen“, die auf die Geiseln keine Rücksicht nehmen sondern nur die Tötung der Rebellen als Ziel haben) genauso unvorbereitet wie die Geiseln und ihre Entführer. Die meisten Schauspieler sind Europäern weitgehend unbekannte, aber ansonsten gestandene Profis, was man ihnen auch anmerkt. Gestorben wird durch die Bank, immer wieder, immer zufällig, sinnlos, unromantisch.
(Bild entfernt, aus Gründen)
Thematisch wurden im Film verschiedenen Entführungsfälle auf den Süd-Phillipinen verarbeitet, alle von einer radikal-islamistischen Untergrundbewegung durchgeführt. Der in Deutschland vermutlich aufsehenerregendste davon war der Fall der Familie Wallert, da hier auch Fernsehteams vorgelassen wurden und sich die Medien in Spekulationen und Mutmaßungen über den Gesundheitszustand insbesondere der Mutter Renate Wallert ergingen. Dabei handelte es sich bei der Familie um Tauch-Urlauber, die aus ihrem Resort am Meer (zusammen mit einigen anderen Urlaubern) entführt wurden. In einigen anderen Fällen wurden christliche Missionare und Sozialarbeiter aus anderen Ländern entführt. Ziel der Entführer ist es einerseits, Lösegeld zu erpressen, andererseits Christen zu töten, zu bekehren und/oder einzuschüchtern und letztendlich von den umkämpften Inseln zu vertreiben. Der Film geht mit den Moslems hart ins Gericht. Wir sehen sie eher ungünstige Stellen aus dem Koran zitieren, eine Christin „bekehren“ und heiraten. In einer langen, schmerzlichen Szene streiten die Geiseln mit den Entführern darum, ob eine verstorbene Geisel beerdigt werden soll. „Wir Moslems beerdigen doch keine Christen!“ Schließlich setzen sich die Geiseln durch.
Am besten in Erinnerung geblieben ist mir die Absurdität des ganzen Unterfangens: Geiseln und Entführer irren durch den Dschungel, immer wieder von der Miliz aufgespürt und angegriffen, wobei die Geiseln regelmäßig um Einstellung des Feuers flehen müssen. Gleichzeitig gelingt es den Regierungstruppen nicht, die Entführer zu überwältigen, obwohl sie ihnen mehrmals so nahe kommen. Andererseits werden die Geiseln mit Nahrung und Kleidung versorgt, pflegen die Entführer Kontakt zu den umliegenden Dörfern, bekommen Besuch und Waffennachschub und lassen hin und wieder Geiseln frei. Trotzdem geht das Martyrium immer weiter, über Monate… Captive war ein sehr aufrüttelnder, bewegender Film.
„Aufrüttelnd“ klingt nach handlungskoordinierender Kraft … in welcher Hinsicht biste denn jetzt aufgerüttelt?
Naja, nicht direkt handlungsauslösend, aber mir ist wieder bewusster geworden, in was für Scheißleben man hineingeboren werden kann und wie gut es ist, wenn man davon verschont bleibt.