Gedanken zum Text

Drüben bei ben_ rauschen die Themen nur so durch und hier herrscht Ebbe. Ich habe wohl offensichtlich mindestens ein Gehirn weniger als der über alles in der Welt Geliebte. Da versuche ich mal wenigstens, ein bisschen Schritt zu halten.

Ben_ macht sich ja gerne mal Gedanken zum Text. Ich persönlich bin in letzter Zeit wieder verstärkt der gesprochenen Sprache auf der Spur (für manche auch Text, Sprechtext). Dabei finde ich es immer wieder erstaunlich, wie wenige Kulturtechniken sich doch mit der Konservierung gesprochener Sprache beschäftigen. Wir haben zwar Ton- und Videoaufnahmen, youtube ist auch jenseits der halbseidenen Gebrauchsmöglichkeiten irgendwie wichtig, und das Fernsehen hat die meisten von uns mehr geprägt, als wir vielleicht wahrnehmen, aber verglichen mit der Schrift ist das doch recht wenig. Warum setzt der kultivierte Mensch nicht die gleiche Energie, die in Buchdruck, Typographie, E-Book-Reader, investiert wird, in die Konservierung, Optimierung, Verteilung des gesprochenen Wortes? Das sollte uns doch auch eigentlich viel leichter fallen, wo wir doch sprechen können, wenn wir in die Schule kommen und manche von uns das Schreiben in diesem Alter gerade erst lernen (von Hören und Lesen ganz abgesehen). Manchmal finde ich es geradezu absurd, dass so viel um uns herum auf der Schrift aufbaut. Denn für mich ist Schrift, wo immer ich sie sehe, immer nur eine Hälfte der Sprache, und meistens die zweite.

Das fällt einem natürlich besonders mitten im hochalemannischen Sprachraum auf. Doch dazu andermal mehr.

Ein Gedanke zu „Gedanken zum Text“

  1. Hm … spannende Frage. Gerade jetzt mehr denn je, bin ich doch dem „Lied von Eis und Feuer Hörbuch“ verfallen und genieße die konservierte gesprochene Geschichte sehr. Nicht, dass es an Christian Brückners Hörbücher heranreichen würden, die wie ein Hochgebirge alles überragen. Aber es ist eine große Freude und ich mag kaum Pause machen.

    Was den Text angeht … da kann ich ja ein weiteres Mal auf Ivan Illichs „Weinberg des Textes“ verweisen. Der beschäftigt sich nämlich auch mit der (Wieder-) Einführung des stillen Lesens. Schrift scheint allerdings mir aus einer Reihe pragmatischer Gründe überlegen: Man kann den Text in der eigenen Geschwindigkeit konsumieren. Gerade bei komplexeren Texten, die nicht nur zur Unterhaltung dienen scheint mir das sinnvoll. Und es ist im realen Kontext nicht disruptiv. Würde im öffentlichen Raum alles, was geschrieben ist, stattdessen gesprochen sein … man würde kein Wort mehr verstehen. Selbst im Privaten. Wir können ja problemlos gleichzeit zwei unterschiedliche Bücher lesen, aber nicht unterschiedliche Hörbücher hören. Wenn man etwas wirklich hören will braucht man wirklich Ruhe, die man entweder dadruchbekommt, dass man sich „sicher“ ist, allein zu sein, oder in dem man Kopfhörer verwendet. Letztere nehmen einen aber auch wiederum aus dem sozialen Kontext heraus. Man ist ja im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr ansprechbar.

    Außerdem hat die Schrift-, Buch- und Textkultur schlicht mehrere hundert oder gar tausend Jahre Vorsprung von den Techniken der Konservierung gesprochener Sprache. Das hinterläßt Spuren im Selbstverständnis. Womit wir wieder bei Illich wären: Unsere Konzept von Text und Wissen sind viel enger miteinander verwoben, als man gemeinhin vermutet …

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